Sonntagsreden

Ganz besonders gruselig und unüberlegt finde ich den Topos, dass Musik eine universelle Sprache sei, die von allen Menschen verstanden werde und somit zur Völkerverständigung beitrage. Nicht alle Musik wird von allen Menschen verstanden oder gar geliebt - man denke nur an die Freunde und Feinde der volkstümlichen Musik oder die wenigen Menschen, die sich für Neue Musik erwärmen können. "Die" Musik gibt es also gar nicht. Darüber hinaus beziehen sich solche Aussagen implizit auf die europäische Musik, die nur eine von vielen auf dieser weiten Welt ist. Und selbst in Europa gibt es nicht nur eine Sorte von musikalischem System, auch wenn sich in den letzten dreihundert Jahren die wohltemperierte Stimmung durchgesetzt hat. Weiter müssen Kinder die Sprache der Musik lernen, so wie sie jede andere Sprache lernen müssen: Es kann bis zu acht Jahre dauern, bis sie sauber singen können. Und: Wenn Musik so einfach und universell wäre, wie Politikerinnen und Politiker gern in wohlfeilen Reden betonen, würden sich mehr als geschätzte fünf Prozent für die sogenannte Ernste oder klassische Musik begeistern. Ein Instrument oder singen zu lernen ist harte, jahrelange Arbeit, und man muss sich schon ganz schön lange mit Musik beschäftigen, um den ganzen Reichtum erfassen zu können, den sie in sich birgt.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0