Margarete Schweikert

Inspirierende Erfolge

Künstlerpostkarte Margarete Schweikert
Künstlerpostkarte Margarete Schweikert

In den Jahren zwischen Erstem Weltkrieg und etwa 1925 war Margarete Schweikert als Geigenvirtuosin und als Komoponistin sehr erfolgreich. Eine beglückende und fruchtbare Zusammenarbeit verband sie mit dem Münchner Pianisten August Schmid-Lindner, mit dem sie an verschiedenen Orten in Süddeutschland auftrat. Bedeutende Sängerinnen und Sänger setzten sich für ihre Lieder ein, die Presse reagierte freundlich. Dennoch: Die Weiblichkeitsfalle schnappte auch für Schweikert zu. Ende 1922 starb Mutter Luise, und Margarete sah sich verpflichtet, ihrem Vater den Haushalt zu führen. Am 8. September 1923 heiratet sie Hermann Voigt, den Bruder des Konzertmeisters der Badischen Staatskapelle, Ottomar Voigt. Nach einem Jahr Goldschmiedeschule übernahm der gelernte Bankkaufmann das Juweliergeschäft der Familie. Am 22. Juli 1924 wurde Tochter Christiane geboren; sie blieb das einzige Kind des Ehepaars Voigt-Schweikert.

Nach dem Ersten Weltkrieg änderte sich die Welt: Wirtschaftskrisen, Inflation, Massenarbeitslosigkeit und Börsenkrach hatten auf das Musikleben und das Leben der Musikerinnen und Musiker tiefgreifenden Einfluss. Wer geht schon ins Konzert, wenn das Geld gerade mal für das Allernötigste reicht, und wer schickt seine Kinder dann noch in den Musikunterricht? Nicht weniger bedeutend waren die Erfindungen Grammophon und Radio, die das häusliche Musizieren teilweise ersetzten. Eine unmittelbare Folge der neuen Zeit war der Einbruch der Nachfrage nach Noten. Hatte Schweikert zu Beginn ihrer Karriere Liedersammlungen in Druck gegeben - die sie zwar vorfinanzieren musste, aber immerhin schien es ihr lohnenswert -, so erschien 1920 zum letzten Mal ein Lied als Beilage in der Neuen Musik-Zeitung Nr. 7. Es war Morgens send’ ich dir die Veilchen nach einem Gedicht von Heinrich Heine.

Die Goethe-Lieder für Bariton op. 11 wurden 1918 im Münchner Wunderhorn-Verlag gedruckt und vermutlich am 8. April 1919 von Otto Wessbecher, einem Karlsruher Sänger, und Margarete Schweikert in Schwäbisch Gmünd uraufgeführt. Beim Kompositionsabend Margarete Schweikert, der im Frühjahr 1920 in München, Stuttgart und Karlsruhe stattfand, sang Hermann Conzelman aus Stuttgart die Goethe-Lieder .

Aus einer Besprechung der Vier Gedichte von Goethe für eine mittlere Singstimme mit Klavierbegleitung op. 11: „Welch eine Wegstrecke, welcher Unterschied zwischen den Liedern der Corona Schröter und diesen! Die vier Vertonungen sind mit Stilsicherheit und großem Formgefühl geschaffen – zwei Forderungen, die man heute Goetheschen Versen gegenüber meist missen zu können glaubt. Der stark begabten Komponistin stehen reiche harmonische und melodische Ausdrucksmittel zur Verfügung, die ihr das wuchtige Königliche Gebet neben den zarten, versonnenen Nachtgedanken ebenso wohl gelingen lassen wie die balladesk angelegte Wandelnde Glocke und das lustige Lied vom König und seinem Floh.“ (Badische Landeszeitung vom 16. Januar 1919)

In diese so produktiven wie erfolgreichen Jahre – der Löwenanteil ihrer Werke dürfte zwischen 1910 und 1922 entstanden sein -, fiel auch die von Tochter Christiane erzählte Urlaubsfahrt mit dem Karlsruher Staatskapellmeister Fritz Cortolezis, mit dem die Geigerin auch auf der Bühne stand, zu dessen Freund Richard Strauss. Dort wurde zwar viel über Musik gesprochen, Margarete Schweikert behielt aber hartnäckig für sich, dass sie eine durchaus erfolgreiche Kollegin des Garmischer Meisters war. Später berichtete sie: „Ich hätte mir lieber die Zunge abgebissen, eh' ich dem Richard Strauss erzählt hätte, dass ich auch komponiere“.

 


Die (Schwäbisch-)Gmünder Zeitung berichtete am 9. April 1919 von einem Konzert Margarete Schweikerts und Otto Weßbechers, das vor nicht sehr vielen Zuhörern stattfand: „Frl. Schweikert stellt ziemlich hohe Anforderungen, nicht nur an die Ausführungen, sondern auch an die Zuhörer. Durchweg tragen die Kompositionen einen etwas schwerblütigen Charakter, der der Tondichterin anscheinend am besten liegt. Eine Fülle reizvoller, gedankenreicher Harmonien passen sich in glücklicher Weise den Dichtungen an, ihren dichterischen Gehalt voll ausschöpfend. Vielleicht ist es uns vergönnt, die Oper Der Geiger von Gmünd auch einmal hier zu hören, man darf mit Recht auf dieses Werk gespannt sein.“ Es gibt allerdings keinen weiteren Hinweis darauf, dass Margarete Schweikert tatsächlich eine Oper nach der Ballade Der Geiger zu Gmünd von Justinus Kerner plante oder sogar daran arbeitete.

Ein für Margarete Schweikert wichtiger Kompositionsabend  fand dreimal statt, in Karlsruhe am 13. März 1920: Die "Hochdramatische" Hedy Iracema-Brügelmann vom Badischen Landestheater und der Stuttgarter Opern- und Konzertsänger Hermann Conzelmann interpretierten, begleitet von der Komponistin, die Goethe-Lieder op. 11 für Bariton, die Frühlingslieder op. 12 für Sopran und weitere Lieder. Am 14. Mai 1920 berichtete der Staats-Anzeiger für Württemberg von einer Wiederholung dieses Konzertes in Stuttgart; das Urteil des Rezensenten fiel trotz des Beifalls für Ausführende und Komponistin zwiespältig aus. Das Karlsruher Tageblatt vom 25. Juni 1920 berichtete in seinem Stuttgarter Brief allerdings von einem „schönen Erfolg“. Der Autor Oswald Kühn stellte fest: „Sie [Margarete Schweikert] gehört zu den Komponistinnen, die ernst genommen werden dürfen“. Misogyne Töne grundieren bei allem Wohlwollen den Bericht in der Württembergischen Zeitung Stuttgart: „Einen Kompositionsabend veranstaltete Margarete Schweikert, eine Schülerin von Joseph Haas. Man hörte nur Lieder, und diese umfaßten ja auch die Gattung, mit welcher die schöpferisch veranlagte Frau ohne Zweifel mit der größten Aussicht auf Erfolg sich befassen wird. Die lyrische Begabung Fräulein Schweikerts ist unverkennbar, die musikalischen Gedanken sind von jener feineren Art, die über das Anspruchslose hinausgehen. Das betrifft namentlich die Harmonik, und der Anteil des Klaviers, dem eine gewisse Selbständigkeit bei Frl. Schweikert zukommt, zeigt, daß die Komponistin mit der Zeit geht. Mitunter glaubt man, kleine Verkünstelungen herauszuhören, dann auch wieder die Ängstlichkeit, nicht von der Regel abzuweichen. Das Angenehme, Befriedigende überwiegt, und mehr als ein Lied wurde gestern gesungen, das man als sehr gut gelungen bezeichnen kann.“ Komponierende Frauen waren - und sind - eben keine Selbstverständlichkeit.

Alle Vorurteile komponierenden Frauen gegenüber finden sich in der Rezension des Musikredakteurs Richard Würz zum Konzert, das am 11. Februar 1920 in München wiederholt wurde. In den Münchner Neuesten Nachrichten vom 12. März 1920 kommentierte er wie folgt : „Über den Kompositionsabend von Margarete Schweikert aus Karlsruhe könnte ich mich eigentlich kurz fassen. Denn er war im ganzen doch wohl nur die Bestätigung einer alten Tatsache der Erfahrung und Natur. Es war immer so und wird immer so sein: der Frau ist in unserer Kunst das schöpferische Ingenium (in bedeutenderem Grade) versagt. Das ist weder schlimm noch gar tragisch. Es liegt in der Natur der Frau und in der Natur unserer Kunst. (…) Ich hätte nun über Margarete Schweikerts Kompositionen, über fast zwei Dutzend Lieder, zu schreiben. (…) Unter den Liedern mit Klavier fanden sich Gedichte von Goethe, Heine, Puschkin, Gustav Falke, Gustav Schüler, Bierbaum, Richard Henry Stoddard und Otto Michaeli. Frauenlyrik fast gar nicht; nur ein Gedicht der Janitschek. Ein paar Humoristika, einige Erotica. In der Hauptsache spezifisch männlich-kraftvoll gefühlte Poesie, die nur von einer starken Gestaltungsgabe musikalisch zu erfüllen ist. Am hübschesten fand ich einige einfachere Liedlein. Margarete Schweikert fühlt, das ließen mich manche der Gesänge erkennen, die Poesie, die Stimmung eines Gedichts; aber sie ist zu wenig affizierbar, um einen wahrhaft zwingenden und packenden musikalischen Ausdruck zu finden. Ein wenig trocken und nüchtern und auch kühl ist überhaupt die musikalische Sprache dieser Lieder. Einen jubelnden und leidenschaftlichen Ton traue ich der Komponistin nach diesen Proben kaum zu. Über sehr bescheidene Emotiönchen will es nirgend hinaus drängen. Dagegen muss man sagen, dass Fräulein Schweikert kompositionstechnisch etwas Ordentliches gelernt hat und daß ihre künstlerischen Absichten zu ernst, ihre musikalische Bildung und ihre Kunstempfindung zu gut sind, als daß sie am Billigen und Gewöhnlichen Genüge fände.“ (Münchner Neuesten Nachrichten vom 12. März 1920)

 

Würz fährt fort: „Als eine tüchtige und sehr musikalische Geigerin lernte man Margarete Schweikert am Sonatenabend kennen, den sie gemeinschaftlich mit August Schmid-Lindner als den schätzbarsten Partner gab. Ihr Violinton klingt warm, voll und schön; aber auch rauhe und nicht ganz reine Töne gingen nebenher. Am Klavier von August Schmid-Lindner ganz ausgezeichnet unterstützt, erspielte sie der Sonate in G-Dur (opus 70) von Walter Niemann und der Suite („Grillen“ - ein echter Haas!) opus 40 ihres Lehrers Josef Haas einen lebhaften Erfolg. Für die Sonate fis-moll opus 84 von Max Reger fehlt es der Geigerin an der Feinheit und Differenziertheit in den Schwebungen des Regerschen Espressivos, seiner Dynamik und Agogik.“

Programmzettel Die deutsche Violinsonate in ihren Meisterwerken, 12. November 1920
Programmzettel Die deutsche Violinsonate in ihren Meisterwerken, 12. November 1920

Im November 1920 bot Margarete Schweikert mit Schmid-Lindner als Partner in Karlsruhe die dreiteilige Konzertreihe Die deutsche Violinsonate in ihren Meisterwerken an. Das Karlsruher Tagblatt berichtete von einer „kleinen, aber erlesenen Schar Hörer, von denen wohl keiner unbefriedigt ging“. Bei Wilhelm Zentner, der im (Badischen?) Tagblatt vom 5. Mai 1921 aus dem Münchner Musikleben kurz berichtete, hinterließ der Sonatenabend von Schweikert und Schmid-Lindner in München einen großen künstlerischen Eindruck: „Bei der Karlsruher Künstlerin einen sich der heute so selten gefundene 'große Ton' und feinfühligste Durchgeistigung des Vorgetragenen zu einem hinreißenden Ganzen. Der starke Beifall, den sie mit Bach, Beethoven und Pfitzner errang, galt neben dem durchaus künstlerischen Programm, das alles lediglich Virtuose beiseite stellte, vor allem der starken musikalischen Persönlichkeit der Künstlerin.“

Ende 1921 führte eine Konzertreise die beiden in „verschiedene süddeutsche Musikstädte“, wie das Karlsruher Tagblatt vom 11. März 1922 berichtete. Erwähnt sind Frankfurt, Stuttgart und Mannheim. Schweikert habe „als ausübende wie als schöpferische Musikerin bei Publikum und Presse lebhafte Beachtung gefunden“. Es standen Violinsonaten von Max Reger und Hans Pfitzner auf dem Programm, dazu neun ihrer eigenen Liedern, darunter Abschied, Schmied Schmerz, Säerspruch und Die Falte. Die Lieder, gesungen von Emma Holl, begleitet von der Komponistin, fanden überwiegend freundlichen Zuspruch der Presse.

 

In (Schwäbisch) Gmünd traten Schweikert und Schmidt-Lindner am 3. November 1922 (?) zusammen mit der Berliner Sopranistin Daisy Strauß auf. Das Programm umfasste eine Arie aus Mozarts Re Pastore, die Kreutzersonate von Beethoven, die Lieder Fromm, Rosen und Märchenstunde von Schweikert, die Klavierfantasie op. 49 von Chopin und vier Lieder von Wolf; die Zusammenstellung der Werke ist durchaus zeittypisch. Der Berichterstatter der Rems-Zeitung vom 4. November 1921 fing seine Kritik damit an, dass das Evangelische Gemeindehaus zwar nicht ausverkauft war, Margarete Schweikert aber stürmisch gefeiert wurde.

Ein ganz besonderes Programm mit Werken von Bach, Händel und Komponisten des 17. Jahrhunderts im Kaufmännischen Verein Pforzheim brachte am 24. November 1921 Schweikert mit Max Seiffert zusammen. Der Musikwissenschaftler, der sich als einer der ersten für die Herausgabe Alter Musik und deren stilgerechte Aufführung engagierte, war von Schweikerts Geigenspiel so begeistert, dass er sie einlud, an seinen Verzierungsseminaren an der Akademie für Kirchen- und Schulmusik in Berlin teilzunehmen. Der Tod der Mutter im Januar 1922 schien gegen diese Pläne zu sprechen – Margarete Schweikert wollte den verwitweten Vater nicht allein in Karlsruhe zurücklassen.

Im Karlsruher Tageblatt vom 28. Dezember 1921 findet sich ein Hinweis auf eine Reihe mit Geistlichen Konzerten in der Schlosskirche, die auf eine Initiative Schweikerts zurückgeht: „Die unermüdliche Vorkämpferin für wertvolle Kammer- und Kirchenmusik, die treffliche einheimische Geigerin Margarete Schweikert hat diesen geistlichen Konzerten in kurzer Zeit einen markanten Platz im Karlsruher Musikleben zu schaffen verstanden und sich eine ehrlich zu würdigende und lohnende Aufgabe damit gestellt. Nicht zum Wenigsten sorgt sie für neue Erscheinungen, seien es Werke oder Künstler.“ Ob diese Reihe über das zweite Konzert hinauskam ist nicht belegt.

Trotz der wirtschaftlichen Krisen der Weimarer Republik, die das öffentliche Konzertleben schwer beeinträchtigten, gab es für die Geigerin Margarete Schweikert Auftrittsmöglichkeiten, etwa bei einem musikhistorischen Abend im Ettlinger Lehrerseminar zum Gedenken an Johannes Brahms' 25. Todestag. Am 11. März 1922 gestalteten der Bariton Otto Wessbecher, Margarete Schweikert (Violine), Robert Pracht (Viola), Joseph Keilberth (Violoncello) und Hugo Rahner (Klavier) Werke von Brahms, darunter das Klavierquartett A-Dur op. 26. Mit dem später berühmten Dirigenten Joseph Keilberth hatte Schweikert schon im Dezember 1919 bei einem Konzert der Liedertafel Pforzheim musiziert. Von einer Morgenfeier mit Werken badischer Komponisten, die Konzertmeister Ottomar Voigt im Badischen Landestheater durchführte, berichtete das Karlsruher Tagblatt vom 19. September 1922. Darin erklang Margarethe Schweikerts Liederzyklus Lieder an ein Mädchen nach Gedichten von Hans Heinrich Ehrler op. 15. Der Tenor Wilhelm Nentwig war der Solist, begleitet wurde er von der Komponistin. Der Rezensent urteilte: „Margarete Schweikert, deren Feder schon eine große Anzahl gehaltvoller Lieder entstammen, hat ihnen mit diesem Zyklus weitere wertvolle hinzugefügt. Die von dem stillen Poeten Ehrler mit zartem Griffel gezeichneten Stimmungsbilder hat die Komponistin glücklich in Töne zu bannen verstanden. Markante Züge weist die Begleitung auf. Sie ist abwechslungsreich und zeigt eine außergewöhnliche Gabe zur Illustration.“ Die Badische Presse vom 19. September 1922 beobachtete: „Der Gefühlsgehalt der Gedichte wird weniger mit Hilfe der menschlichen Stimme, sondern zur Hauptsache durch den geschickt ausgearbeiteten Klaviersatz vertieft. Daß sie modernen Einflüssen in der Harmonik nicht abgeneigt ist, lassen die Zwischenspiele erkennen, die die beiden letzten Lieder verbinden.“

Das international renommierte Berliner Klindworth-Scharwenka-Konservatorium kündigte im März 1923 einen "modernen Liederabend" mit Werken unter anderen von Richard Strauss und Margarete Schweikert an. Ort und Programmnachbar sprechen dafür, dass die Komponistin auf dem besten Weg war, deutschlandweit wahrgenommen und anerkannt zu werden. Ob das Konzert tatsächlich stattfand ist nicht bekannt.