Farbrausch: "Tschudi" von Mariam Kühsel-Husseini

In Coronazeiten brauche ich dringend spannende Hörbücher: Tschudi von Mariam Kühsel-Hussaini, gelesen von der Autorin selbst, finde ich unbedingt empfehlenswert. Der ganz spezielle Sound von Kühsel-Hussaini war für mich kurz gewöhnungsbedürftig; ihre Sprache ist bildreich, sinnlich, atmosphärisch dicht und sprüht von Farben. Mit ihrer betörenden Stimme und ihren unnachahmlichen Tonfällen verleiht sie dem üppigen Roman Leben und Tiefe. Schönheit, Melancholie, Begeisterung und Liebe, die elektrisierend neue Kunst der Impressionisten und die wütende Ablehnung konservativer Kreise sind seine Themen. Zentrale Figur ist der Kunsthistoriker und Museumsleiter Hugo von Tschudi, der im kaiserlichen Berlin der Jahre um 1900 die ersten Gemälde der französischen Impressionisten für die Nationalgalerie kauft. Fachlich überragend, hat Tschudi in der künstlerischen Avantgarde zahlreiche Freunde und Mitstreiter, etwa Max Liebermann, Lovis Corinth, Max Slevogt, um nur die Bekanntesten zu nennen. Sein Handicap ist die Krankheit Lupus vulgaris, die nach und nach die Gesichtszüge zerstört und zum verfrühten Tod führt. Allein dieses menschliche Drama ist eine berührende Geschichte. Spannung erhält der Roman darüber hinaus durch die Gegnerschaft von Kaiser Wilhelm II., der künstlerisch den akademischen Historismus vorzieht. Als Geldgeber muss er von Tschudi bei Kunstankäufen zustimmen, seine Ignoranz und sein Wankelmut führen letztlich dazu, dass von Tschudi Berlin verlässt. Guten Romanstoff liefern weiter die Intrigen um den leicht beeinflussbaren Kaiser, die nicht neu sind, aber hier in besonders intensivem Licht erscheinen. Mariam Kühsel-Husseini durchleuchtet die Gedanken und Gefühle der Handelnden in äußerst subtiler, stimmiger Weise; durch ihren Erzählstil und nicht zuletzt durch ihre an mündliche Tradition erinnernde Erzählweise (die einfaches Einlesen bei weitem übertrifft) zeichnet sie ein eindringliches Personen-, Zeit- und Sittenbild.