Zur Götterdämmerung im Badischen Staatstheater

Der Ring im Badischen Staatstheater ist rund - zumindest, was das Musikalische betrifft. Der scheidende Generalmusikdirektor Justin Brown, die Badische Staatskapelle, die Herren des Badischen Staatsopernchores und des Extrachores des Badischen Staatstheaters und die Solistinnen und Solisten überzeugten in fast allen Belangen. An der einen oder anderen Stelle hätte ich mir gewünscht, dass Brown das Orchester noch etwas mehr zurücknimmt, damit von den Sängern mehr zu hören ist, und Heidi Meltons Spitzentöne waren vor allem im ersten Akt oft messerscharf und erreichten nur mit Mühe die von Wagner beabsichtigten Höhen. Abgesehen davon war ihre Brünnhilde darstellerisch und sängerisch ein intensives Erlebnis. Auch Daniel Frank kam als Gast ans Badische Staatstheater. Sein Siegfried ließ körperlich zwar sämtliche heldischen Attribute missen, stimmlich glänzte er durchweg. Letzteres ist in der Oper immer noch wichtiger ... Ans Unheldische, Ungöttliche und ganz und gar Unkönigliche musste ich mich in Tobias Kratzers Inszenierung nicht lange gewöhnen - seine Götterdämmerung hat Witz und Esprit und ist in keiner Minuten langweilig. Gunther ist bei ihm ein Labbeduddel in Freinripp-Unterwäsche, der seinen Halbbruder Hagen noch dringender braucht als das bereits in Scheiben vorgeschnittene Brot mit der Margarine (vermutlich halbfett ...), die Gutrune auf den Tisch des Hauses Gibichungen stellt. Nein, gegen diese hinterlistige Bagage kann Siegfried in seiner Blauäugigkeit nicht ankommen. Ganz wunderbar: Konstantin Gorny als Hagen und Armin Kolarczyk als Gunther. Eigentlich und ganz im Grunde geht es in der Götterdämmerung wie im gesamten Ring des Nibelungen um die uralte Frage, ob Gold wichtiger sei als die Liebe. Berückend fand ich den Regieeinfall, Brünnhilde nicht ihren Liebestod sterben zu lassen, sondern sie und Siegfried zum Anfang zurückzukatapultieren und ihre Liebesszene zu wiederholen, nachdem sie den vermaledeiten Ring auf den Scheiterhaufen oder in den Rhein, wer weiß das schon so genau, geworfen hatte. Die Liebe ist wichtiger als der schnöde Mammon - davon lasse ich mich durch Wagners sehrende Musik doch gerne überzeugen, zumindest als Utopie und wunderbarem Theatermoment. Und zum Schluss des Rings, wenn der goldene Ring wieder im Rhein bei den Rheintöchtern liegt, der Urzustand also wieder hergestellt ist, könnte das megalomane Drama ja wieder von vorne losgehen. Dann doch lieber die kleine Zeitschleife zurück zur liebenden Vereinigung von Brünnhilde und Siegfried.

 

Hetero-, homo-, bi- und trotz der Schluffi-Klamotten (Bühne und Kostüme: Rainer Sellmaier) irgendwie metrosexuell geht es in Kratzers Inszenierung die ganze Zeit zu. Nach einem kurzen Moment der Verblüffung - sind die Nornen falsettierende Kerle, die sich als Regisseure verkleidet haben, oder kesse Väter, die sich als Kerl gefallen - wird das mir ziemlich egal, und ich freue mich jedes Mal, wenn die androgynen Wesen die Bühne stürmen und versuchen, das Unheil doch noch irgendwie aufzuhalten. Nach Kratzers Idee sind die drei Nornen beziehungsweise Rheintöchter die Regisseure der ersten drei Musikdramen des Ring des Nibelungen - dies hat mich nicht gestört, ich habe es, wie das Kino-Setting, als Gag schnell akzeptiert. Die Kernhandlung hat mich schnell gepackt und war einfach stärker ... Die Nornen und die Rheintöchter wurden von Katharina Tier, Dilara Bastar und An de Ridder verkörpert, bei den Rheintöchtern übernahm Agnieszka Tomaszewska die Sopranpartie. Katharina Tier lieferte auch den Botenbericht der Waltraute ab, die versucht, die liebestrunkene Brünnhilde wieder den Göttern näherzubringen.

 

Der einzige Regieeinfall, den ich nicht verstanden habe beziehungsweise den ich für falsch halte, ist, Alberich als Selbstkastrierer auf die Bühne rutschen zu lassen, der seinen Sohn Hagen zu einer ebensolchen Tat anstachelt. Das ist deshalb falsch, weil Alberich sich ausdrücklich gegen die Liebe, aber nicht gegen die Lust ausgesprochen hat (Sohn Hagen stammt aus einer Vergewaltigung von Gunthers und Gutrunes Mutter). Oder meint Kratzer, dass Alberich seine Miesigkeit einsieht und deshalb selbst kastriert? Oder dass seine lieblosen, empathiefreien Taten einfach bestraft werden müssen? Hm - das wäre schon sehr, sehr optimistisch. Jaco Venter jedenfalls hat als Alberich Eindruck gemacht, auch stimmlich. Christina Niessen als Gutrune, szenisch überzeugend wie übrigens alle Akteure, hat mir stimmlich nicht so gut gefallen. Sie klang stellenweise angestrengt und nicht so schön timbriert, wie ich sie in Erinnerung habe.

 

Der größere Teil des Publikums war nicht entzückt und buhte ausgiebig.

 

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