Leselust - Bücher mit (zu?) viel Musik

Mit angehaltenem Atem habe ich Benjamin von Stuckrad-Barres Autobiografie Panikherz verschlungen. Nichts ist so spannend wie das richtige Leben, vor allem, wenn ein Mensch jahrelang auf Messers Schneide balanciert und das so überragend beschreiben kann. Immerhin wusste ich von Anfang an, dass Stuckrad-Barre seinen Exzessmarathon überlebt hat! Schon die Aufzählung seiner Krankheiten und Süchte klingt wie ein Horrortrip: Bulimie, Alkohol, Kokain und was sonst noch an Lebensverkürzern greifbar war. Er nimmt die Leser*in mit, wenn er Abstieg, absolutes Elend und Rückkehr in die Welt der Schreibenden in schnelle Sätze fasst. Immer wieder hält er sich an Udo Lindenbergs Songs fest, deren Texte wie Rettungsanker wirken. Lindenberg selbst gibt immer wieder Halt - auch seine Leber hat ja schon einiges hinter sich. Always close to the edge, im Musikbusiness scheint das lange nicht aufzufallen ... Im Gegensatz zu Stuckrad-Barre ist Helmut Kraussers Roman Alles ist gut nicht in der Rock- und Popkultur, sondern in der sogenannten E-Musik angesiedelt. Seinen ersten Musikroman Melodien muss ich noch lesen, ich habe in diversen Besprechungen gelesen, dass Alles ist gut daran anknüpft. Aaaalso, Metathema ist bei Krausser die Fähigkeit der Musik, auf das Gefühlsleben des Menschen Einfluss zu nehmen. Eigentlich ein ganz alter Hut, schon Platon hat in seinem Staat postuliert, dass mit Musik die sittliche Entwicklung eines Menschen gelenkt werden kann. Die Hauptfigur bei Krausser ist ein junger Komponist, dessen Karriere erst in Schwung kommt, als er in ein Werk Melodien aus dem 16. Jahrhundert einfügt. Leider sterben bei den Aufführungen des neuen, überaus erfolgreichen Stücks immer wieder Menschen ... Eine geistreiche und witzige Satire auf den Kunstbetrieb, die ich mit viel Vergnügen gelesen habe!

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